Ein Mann, der nach Australien oder Neuseeland auswandern will, ist natürlich bestrebt, etwas über seine künftige Heimat, deren Klima, Arbeitsmöglichkeiten, Einwohner, Sitten und Bräuche zu erfahren. All das sind Themen, die ihn brennend interessieren. Sie werden bald das Land Ihrer Geburt verlassen und den Rest Ihres Lebens in einer völlig neuen Umgebung verbringen. (…) Wenn wir hoffen, für immer in diesem »besseren, ja himmlischen Land« zu bleiben, täten wir gut daran, uns alles Wissen, das wir darüber bekommen können, zu verschaffen. —J. C. Ryle
Jonathan Edwards, der große puritanische Prediger, sprach oft über den Himmel. Er sagte: »Es ist empfehlenswert, dieses Leben nur als Reise zum Himmel zu betrachten (…), der wir alle anderen Angelegenheiten des Lebens unterordnen müssen. Warum sollten wir uns um etwas abmühen oder unser Herz an etwas hängen, das nicht unserem eigentlichen Ziel entspricht und uns nicht wirklich glücklich macht?«
Als Edwards Anfang zwanzig war, fasste er eine Reihe von Vorsätzen für sein Leben. Einer davon lautete: »Fest entschlossen, alles zu tun, um in der anderen Welt für mich so viel Glück wie möglich zu erlangen.«
Man mag es komisch oder ungehörig finden, dass Edwards so viel daran lag, nach seinem eigenen Glück im Himmel zu streben. Doch Blaise Pascal hatte Recht mit seiner Äußerung: »Alle Menschen suchen nach dem Glück. Das gilt ohne Ausnahme, wie unterschiedlich auch die Mittel sein mögen, die sie dafür benutzen.« Wenn wir alle nach dem Glück suchen, warum sollten wir uns dann nicht Edwards zum Vorbild nehmen?
Es ist jedoch erschreckend, dass die meisten Menschen überhaupt keine Freude empfinden, wenn sie an den Himmel denken.
Ein Pfarrer gestand mir einmal: »Immer wenn ich an den Himmel denke, werde ich trübsinnig. Wenn ich sterbe, wäre es mir am liebsten, ich würde einfach aufhören zu existieren.«
»Warum?«, fragte ich.
»Ich kann den Gedanken an diese endlose Eintönigkeit nicht ertragen. In den Wolken herumzuschweben, ohne etwas zu tun zu haben, außer auf einer Harfe herumzuklimpern … ›Himmel‹ klingt für mich nicht viel besser als ›Hölle‹.«
Woher hat dieser bibeltreue Pfarrer, der doch Theologie studiert hat, eine solche Meinung vom Himmel? Sicher nicht aus der Bibel, in der Paulus schreibt, dass es bei weitem besser ist, zu sterben und bei Christus zu sein, als auf einer unter dem Fluch der Sünde stehenden Erde zu leben (Philipper 1,23). Immerhin stand dieser Mann ehrlicher zu seiner Meinung als die meisten Menschen, denn ich habe herausgefunden, dass viele Christen ähnlich falsche Auffassungen haben.
Eine Frau, die meinen Roman Deadline gelesen hatte, in dem der Himmel als gegenständlicher und wunderschöner Ort geschildert wird, schrieb mir: »Als ich sieben Jahre alt war, erklärte mir ein Lehrer in meiner christlichen Schule, dass ich im Himmel niemanden und nichts von der Erde wiedererkennen würde. Ich hatte Angst vor dem Sterben. Wegen dieser Angst vor dem Himmel und dem ewigen Leben fiel es mir wirklich schwer, in meinem Leben als Christ Fortschritte zu machen.«
Überdenken Sie die Tragweite dieser Worte: »diese Angst vor dem Himmel und dem ewigen Leben«. In Zusammenhang mit ihrer vor kurzem geänderten Sichtweise bemerkte sie: »Sie können sich gar nicht vorstellen, welche Last mir von der Seele gefallen ist … Jetzt kann ich es kaum erwarten, in den Himmel zu kommen.«
Unsere unbiblische Ansicht vom Himmel
In den letzten fünfzehn Jahren erhielt ich Tausende von Briefen und hatte Hunderte von Gesprächen über den Himmel. Ich sprach in Kirchen und bei Konferenzen über den Himmel. Ich habe über den Himmel geschrieben und hielt ein Seminar mit dem Titel »Die Theologie des Himmels«. Ich weiß was die Leute über den Himmel denken. Und ehrlich gesagt, bin ich darüber bestürzt.
Ich stimme dem Schriftsteller John Eldredge zu, wenn er meint: »Fast jeder Christ, mit dem ich sprach, hat die Vorstellung, dass die Ewigkeit ein endloser Gottesdienst ist. (…) Wir haben uns auf ein Bild andauernden Singens über dem Sternenhimmel festgelegt, einen herrlichen Choral nach dem anderen, für immer und ewig. Amen. Das Herz wird uns schwer. Und dann seufzen wir und bekommen Schuldgefühle, weil wir nicht ›geistlicher‹ sind. Wir verlieren den Mut, und dann wenden wir uns wieder der Gegenwart zu, um das Leben zu genießen, solange wir es noch können.«
Gary Larson hielt eine weit verbreitete falsche Vorstellung vom Himmel in einer seiner Karikaturen fest. Ein Mann mit Engelsflügeln und einem Heiligenschein sitzt auf einer Wolke und tut nichts; weit und breit ist außer ihm niemand zu sehen. Die Bildunterschrift zeigt seine stillen Gedanken: »Hätte ich nur eine Zeitschrift mitgenommen.«
Der Versuch, jemandem eine körperlose Existenz in einem immateriellen Himmel schmackhaft zu machen, ist wie der Versuch, jemandem Appetit auf Kies zu machen. Es wird nicht klappen, egal wie aufrichtig wir es meinen und welch große Mühe wir uns geben. Und das ist gut so.
Der Wunsch, den Gott in uns hineingelegt hat, und deshalb auch das, was wir uns wünschen, wenn wir ehrlich sind, ist genau das, was er denen verspricht, die Jesus Christus nachfolgen: ein auferstandenes Leben in einem auferstandenen Körper mit dem auferstandenen Christus auf einer auferstandenen Erde. Unsere Wünsche entsprechen genau Gottes Plänen. Der Grund, weshalb wir es wollen, liegt darin, dass Gott es geplant hat. Wir werden noch sehen, dass es nicht unsere, sondern Gottes Idee ist, dass auferstandene Menschen in einem auferstandenen Universum leben.
Das Schweigen der Theologen über den Himmel
Johannes Calvin hat nie einen Kommentar über die Offenbarung geschrieben und sich nie eingehend mit dem ewigen Reich auseinander gesetzt. Obwohl er in seinem Werk Institutio Christianae Religionis dazu auffordert, über den Himmel nachzusinnen, scheint seine Theologie des Himmels auffallend schwach im Vergleich mit seiner Theologie von Gott, Christus, der Erlösung, der Heiligen Schrift und der Gemeinschaft der Christen. Im Licht der dringenden theologischen Fragen seiner Zeit ist das verständlich, doch in den Jahrhunderten nach Calvin haben erstaunlich wenige Theologen versucht, die Lücken zu füllen.
Louis Berkhofs Klassiker Systematic Theology widmet der Schöpfung achtunddreißig Seiten, der Taufe und dem Abendmahl vierzig Seiten und dem Zwischenzustand fünfzehn Seiten. Das Buch enthält jedoch nur zwei Seiten über die Hölle und nur eine einzige Seite über das ewige Reich. Wenn alles, was über den ewigen Himmel gesagt wird, sich auf Seite 737 eines 737 Seiten umfassenden Werkes über systematische Theologie beschränkt, erhebt sich die Frage: Hat die Bibel dazu wirklich so wenig zu sagen? Hat dieses Thema so wenig theologische Bedeutung? Meiner Meinung nach ist die biblische Antwort ein entschiedenes Nein!
In dem Buch The Eclipse of Heaven schreibt der Theologieprofessor A. J. Conyers: »Auch für einen nicht kirchlichen Menschen ohne theologische Überzeugungen müsste der Gedanke beunruhigend sein, dass diese Welt versucht, sich durch die wohl gefährlichsten Wasser der Geschichte hindurchzumanövrieren, und dabei beschlossen hat, das außer Acht zu lassen, was fast zwei Jahrtausende lang ihr fester Bezugspunkt – ihr Nordstern – war: die Gewissheit des Gerichts, die Sehnsucht nach dem Himmel, die Furcht vor der Hölle. Wenn heute Dinge von entscheidender Bedeutung erörtert werden, haben diese Themen keinen hohen Stellenwert. Früher war das einmal anders.«
Conyers behauptet, dass bis vor kurzem die Lehre vom Himmel für die christliche Gemeinde von großer Bedeutung war. Der Glaube an den Himmel war nicht nur ein nettes, belangloses Gefühl, sondern eine grundlegende Überzeugung, aus der man Kraft zum Leben schöpfte.
Leider trifft das auch für zahllose Christen nicht mehr zu.
Von unseren Radarschirmen verschwunden
Stellen Sie sich vor, Sie sind Mitglied eines Teams der NASA, das sich auf eine fünf Jahre dauernde Reise zum Mars vorbereitet. Als die Rakete abhebt, stellt einer der mitreisenden Astronauten die Frage: »Was weißt du über den Mars?«
Stellen Sie sich vor, Sie zucken mit den Schultern und antworten: »Nichts. Ich denke, das werden wir schon herausfinden, wenn wir dort sind.« Das ist undenkbar, oder? Es ist unvorstellbar, dass zu Ihrer Ausbildung nicht auch eine gründliche Beschäftigung mit Ihrem Bestimmungsort und eine intensive Vorbereitung auf ihn gehört. Doch in den theologischen Fakultäten, Bibelschulen und Kirchen der Welt wird wenig über unseren letzten Bestimmungsort gelehrt.
Viele Christen, die regelmäßig zur Kirche gehen, können sich nicht erinnern, eine einzige Predigt über den Himmel gehört zu haben. Manche Pfarrer denken vielleicht, dass es nicht wichtig ist, den Himmel zur Sprache zu bringen, weil sie während ihres Studiums keine Pflichtveranstaltung zu diesem Thema hatten. In gleicher Weise nimmt die Gemeinde an, dass in der Bibel nicht viel über den Himmel steht, wenn ihr Pfarrer nie darüber predigt.
Der Himmel ist sozusagen von unseren Radarschirmen verschwunden. Wie können wir unser Herz auf den Himmel ausrichten, wenn wir nur eine ärmliche Theologie des Himmels haben? Warum sprechen wir so wenig über den Himmel? Und warum ist das Wenige, das wir zu sagen haben, so verschwommen, kraft- und saftlos?
Woher kommen unsere falschen Vorstellungen?
Ich glaube, es gibt eine Erklärung dafür, dass so viele Kinder Gottes eine solch verschwommene, negative und farblose Auffassung vom Himmel haben: Es ist das Werk Satans.
Jesus sagt vom Teufel: »Wenn er lügt, entspricht das seinem Wesen, denn er ist ein Lügner und der Vater der Lüge« (Johannes 8,44). In Offenbarung 13,6 lesen wir, das satanische Tier stieß »Lästerungen gegen Gott aus und verhöhnte seinen Namen und sein Zelt und alle, die im Himmel wohnen«. Unser Feind verhöhnt drei Dinge: Gott selbst, Gottes Volk und Gottes Wohnort – den Himmel.
Nach seiner Vertreibung aus dem Himmel (Jesaja 14,12-15) packte den Teufel ein Zorn, nicht nur auf Gott, sondern auch auf die Menschen und den Himmel selbst, den Ort, zu dem er nicht mehr gehörte. Der Satan muss uns nur davon überzeugen, dass der Himmel ein langweiliger, raum- und zeitloser Ort ist. Warum sollten wir anderen die »gute Botschaft« mitteilen, dass man die Ewigkeit an einem langweiligen, geisterhaften Ort verbringen kann, auf den nicht einmal wir uns freuen?
Der Satan hasst den neuen Himmel und die neue Erde. Er kann nicht verhindern, dass Christus ihn besiegt, aber er kann uns überreden, dass der Sieg von Christus nur ein Teilsieg war und dass Gott seinen ursprünglichen Plan für die Menschen und die Erde aufgegeben hat.
Da wir hier in einer dunklen Welt leben, müssen wir uns daran erinnern, was die Bibel über den Himmel sagt. Eines Tages wird die Blindheit, die uns von der wirklichen Welt trennt, von uns genommen werden. Dann werden wir die abstumpfende Verblendung erkennen, unter der wir gelebt haben und die dazu führte, dass uns der Himmel so fern und unwirklich schien. Mögen wir durch Gottes Gnade klarer denn je die befreiende Wahrheit über Christus, den König, und den Himmel, sein Reich, erkennen.
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